Pressebericht von I. Witscher, Bilder: EB. Mädler";"Qualität aus Carlsfeld soll wieder zum Begriff werden

Qualität aus Carlsfeld soll wieder zum Begriff werden

Junger Handzuginstrumentenmacher gründet eigenen Meisterbetrieb

Am 17. Juni eröffnete der 23jährige Robert Wallschläger in Carlsfeld im Erzgebirge seinen Meisterbetrieb „Handzuginstrumente Carlsfeld“. Er stellt Bandonions her und repariert Handzuginstrumente wie Akkordeons, Bandonions, Concertinas, Harmonikas und Mundharmonikas.
   
Für die kleine Erzgebirgsgemeinde Carlsfeld, die heute ein Ortsteil der Stadt Eibenstock ist, ist das ein bedeutendes Ereignis. Denn hier wurden von 1864 bis 1964 Bandonions hergestellt, die wegen ihrer hohen Qualität bei Künstlern in aller Welt einen ausgezeichneten Ruf genossen und den Ort in der internationalen Musikszene bekannt machten, Die Firma Alfred Arnold exportierte z. B. 1933 85 Prozent ihrer Produktion mit dem Firmenlogo AA nach Südamerika, wo das Bandonion als das Instrument gilt, mit dem der Tango am besten interpretiert werden kann. Noch heute sind weltbekannte Künstler stolz und glücklich, ein Instrument mit dem Markenzeichen AA zu besitzen. In vielen Häusern spielte man damals Bandonion. Doch die Produktion wurde 1964 eingestellt. In Carlsfeld schien die Bandonionmusik für immer verstummt zu sein.

Mit der Gründung der neuen Firma beginnt in der Gemeinde erneut die Bandonionproduktion. – eine glanzvolle Tradition wird wiederbelebt.

Bereits 1992 gab es in Carlsfeld Bemühungen, die Bandonionmusik zu pflegen. So finden alljährlich im Oktober Bandonionfestivals statt, bei denen deutsche und internationale Orchester und Musiker und mitwirken. Künstler aus Südamerika brachten 1998 den Tango nach Carlsfeld.

Robert Wallschläger begann mit acht Jahren, das Bandonionspiel zu erlernen.. Sein Lehrer Dieter Seidel, früher Stimmer in einer Carlsfelder Bandonionfabrik, musste selbst erst wieder lernen, ehe er lehren konnte. Robert war der erste Carlsfelder Bandonionspieler, der mit neun Jahren zum Bandonionfestival 1993 auftrat. In den folgenden Jahren spielten er, sein Lehrer Dieter Seidel und sein jüngerer Bruder Richard stets bei den Festivals mit.

Robert machte sein Hobby zum Beruf. Er lernte Handzuginstrumentenmacher in Klingenthal.

Seine Lehre schloss er 2003 mit hervorragenden Ergebnissen ab, nahm am Bundeswettbewerb der Handzuginstrumentenmacher teil und wurde 1. Bundessieger im Handzuginstrumentenbau. Drei Jahre arbeitete er in Klingenthal als Geselle und legte 2006 seine Meisterprüfung ebenfalls mit ausgezeichneten Ergebnissen ab. Sein Meisterinstrument erhielt in der Bewertung 100 Punkte, eine Leistung, die vorher noch kein Prüfling erreicht hatte. Sicher trugen auch seine musikalischen Erfahrungen mit dazu bei, diese hohe handwerkliche Güte zu erreichen.

Robert, sein Vater Klaus, sein Bruder Richard, ihr Lehrer Dieter Seidel und andere Bandonionfreunde wollten aber die Bandonionmusik im Ort noch zielstrebiger fördern. Sie erstrebten den Aufbau einer Bandoniongruppe, bei der auch junge Spieler mitwirken sollten. Deshalb wurde 2001 der Bandonionverein Carlsfeld e.V. gegründet. Die bisherigen Ergebnisse seiner Arbeit können sich sehen lassen. Aus dem einstigen Trio aktiver Spieler ist heute eine Gruppe von 15 Mitwirkenden geworden, darunter auch Kinder und junge Leute, die ständig ihr Können verbessern und ihr Repertoire erweitern. Robert hat inzwischen fünf Schüler, die bei ihm das Bandonionspiel erlernen.

Der Bandonionverein organisiert seit 2004 alljährlich im Mai Bandonionkonzerte mit international bekannten Künstlern. So gestalteten der Solist Omar Subelza aus Argentinien, der weltbekannte Louis Stazo mit seiner Gruppe „Stazo Mayor“, der deutsche Künstler Stephan Langenberg sowie der in Paris lebende junge Bandonionvirtuose und -lehrer Victor Villena diese Mai-Konzerte mit. Der Bandonionverein Carlsfeld tritt stets mit auf. Dabei geben die großen Vorbilder und ihr Können den Carlsfelder Laienmusikern Ansporn und Anregung für ihr Musizieren. Carlsfeld erwirbt sich damit einen Namen in der internationalen Bandonionmusikszene. Der Bandonionverein pflegt Kontakte zu Künstlern und Bandonionfreunden in Südamerika, Japan, Schweiz, Frankreich, Finnland, Norwegen und den Kanaren.

Das sind gute Voraussetzungen für den jungen Betrieb von Robert Wallschläger. Er will das Musizieren im Verein und die Ausbildung junger Spieler weiter als Hobby betreiben. Doch sein Hauptaugenmerk gilt seinem Unternehmen. Schon stehen zahlreiche Instrumente zur Reparatur in seiner Werkstatt. Aber auch Bestellungen für zwei Bandonions kamen aus Paris. Das bedeutet viel Arbeit für den jungen Meister, der dies vorerst im Alleingang bewältigen will.



Abenteuer Schweden

Junge erzgebirgische Musiker auf Orchesterreise in der Heimat von Astrid Lindgren


Sechs junge Musiker des Bandonionvereins Carlsfeld waren vom 21. bis 28. Juli auf Tournee in Schweden. Zusammen mit dem Jugend-Akkordeonorchester „Gelenauer Extravaganten“ erlebten sie in Südschweden eine Woche voller musikalischer Höhepunkte und touristischer Abenteuer.

Reiseziel war eine Jugendherberge in der südschwedischen Stadt Vimmerby im Verwaltungsgebiet Kalmar in der Provinz Smaland. Die knapp 8000 Einwohner zählende Stadt ist der Geburtsort der Kinderbuchautorin Astrid Lindgren, die mit ihren Kinderhelden Pippi Langstrumpf, Meisterdetektiv Kalle Blomquist und Michel von Lönneberga Kinder und Erwachsene in aller Welt begeisterte.

Die jungen Leute waren fasziniert von der atemberaubenden Landschaft Südschwedens. Doch vor dem Vergnügen stand auch für sie der Schweiß: Nach langer, anstrengender Reise wurde den ganzen ersten Tag intensiv geprobt und in kleinen und großen Besetzungen musiziert. Bei dieser unermüdlichen Arbeit spürten die Musiker förmlich, wie das Orchester durch das gemeinsame Spiel zusammenwuchs. Das beflügelte, und auch der Spaß über gelungene und auch misslungene Leistungen kam nicht zu kurz.

Premiere war um 19 Uhr der Auftritt auf dem Sommermarkt in Vimmerby. Petrus meinte es an diesem Abend nicht gut. Immer wieder kam es zu Regenschauern. Die Tontechnik musste im Regen vom Bus zur Bühne transportiert werden. Die kleine überdachte Bühne erlaubte nur, in zwei kleinen Besetzungen zu spielen. Doch trotz der trüben Aussichten wurde das Konzert ein Erfolg. Der Sommermarkt war gut besucht. Die Menschenmenge vor der Bühne wuchs, bereitgestellte Bänke wischte man trocken, das Publikum klatschte in Rhythmus der Musik und einige Kinder und Erwachsene schwangen sogar das Tanzbein.

Nach dem Konzert gab es in der Jugendherberge noch bis Mitternacht einen musikalischen Ausklang.

 

Der nächste Tag war ein Abenteuertag mit Wanderung, Draisinenfahrt zu einem Waldsee, Kanufahrten, Grillen und Genießen der großartigen Landschaft. Doch abends holten die Musiker wieder ihre Instrumente hervor und begeisterten das Herbergspersonal mit erzgebirgischen Liedern.

Am Mittwoch stand ein Konzert im benachbarten Ort Virserum auf dem Programm. Die Schweden feierten hier mit den Dacke-Festspielen ihren legendären Bauernführer Nils Dacke , der im 16. Jahrhundert gegen König Gustav Wasa rebelliert hatte.

Vor zahlreichem Publikum präsentierten die Carlsfelder und Gelenauer Musiker hier ein buntes Konzertprogramm mit klassischer Musik, Popmusik und Tango. Vorher hatten sie Sehenswürdigkeiten des Ortes wie die Pytagoras-Brücke, die größte Holzbrücke Schwedens, bestaunt.

Auch am Donnerstag waren Freizeitaktivitäten und Arbeit eng verknüpft. Eine Fahrt zum 200 km entfernten Tier- und Vergnügungspark auf der Insel Öland stand auf dem Programm. Vor traumhaft schöner Kulisse gab das Orchester ein Konzert, dem Hunderte Besucher lauschten und begeistert Beifall spendeten. Dieses Konzert war der absolute Höhepunkt der Reise.

Am nächsten Tag gab es eine große Enttäuschung: Ein geplantes Open-Air-Konzert musste wegen schlechten Wetters ausfallen. Die jungen Leute machten jedoch aus der Not eine Tugend und begaben sich auf die Spuren von Astrid Lindgren. In Lönneberga und Bullerby besuchten sie Drehorte der Filme den Kinderbuchautorin. Abends wurde unter freiem Nordhimmel am Lagerfeuer wieder gemeinsam musiziert.

Am Samstag ging es nach tränenreichem Abschied von dem schönen Land auf die Heimreise.
 

Bilanz dieser Reise:

- Sie bewies, dass gemeinsame Freizeiterlebnisse Musiker zu neuen Inspirationen und hohen Leistungen beflügeln.

- Die jungen Spieler aus Carlsfeld und Gelenau zeigten: Bandonion- und Akkordeonspieler können gemeinsam wunderbare Musik machen.

- Es wurden enge freundschaftliche Bande zum Gelenauer Akkordeonorchester geknüpft. Ein Konzertauftritt der Bandonionspieler ist am 27.Oktober zum 10 Jubiläumskonzert des Gelenauer Orchesters ist geplant. Bei Spielern beider Orchester gibt es zudem Überlegungen, auch das Instrument der befreundeten Gruppe zu erlernen

- Die für Laienmusiker ungewohnt intensive Probenarbeit machte zwar Mühe, zeitigte aber überzeugende Ergebnisse.

- Nicht zuletzt wurden die Carlsfelder Bandonionisten inspiriert, künftig in ihrem Repertoire auch der modernen Musik mehr Platz einzuräumen.

(Robert Wallschläger/Ingrid Witscher)